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Der Bund Gottes mit den Menschen

Die Botschaft, dass sich der ewige Gott direkt mit dem sterblichen Menschen verbindet, gehört zum Kern der evangelischen, insbesondere der reformierten Tradition. Auch die Rede vom Alten und Neuen Bund, vom ersten und zweiten Testament, zeigt, dass der Bundesgedanke für das Verständnis der Bibel zentral ist. Ich plädiere nun für ein radikal neues Verständnis, das ich in der Rückbesinnung auf den Ursprung der biblischen Überlieferung bereits angedeutet habe: Der Ewige Bund ist der Immerwährende Auftrag, die Ewige Bestimmung des Höchsten Schöpfers für seine Geschöpfe, der im Prinzip des freien Willens gründet.

Altorientalisches und reformiertes Vorverständnis

Bevor ich zum Eigentlichen komme, scheint es mir wichtig, die beiden massgeblichen Filter für das Jahrhunderte alte Vorverständnis des Bundesgedankens kurz anzuschneiden.

Im alten Orient war es üblich, dass sich zwei Parteien – zwei Sippen, Völker oder Länder – auf einen gemeinsamen Verhaltenskodex geeinigt haben und diesen in einem Bund besiegelten. Dazu wurde oft ein Stück Leder ungleichmässig in zwei Teile geschnitten und auf beide Parteien verteilt, sodass sie sich zweifelsfrei als Bundespartner ausweisen konnten. Daher rührt die aus dem Hebräischen katab berit wörtlich übersetzte Formulierung «einen Bund schneiden» im Sinne von schliessen. Die blutigere Variante war dergestalt, dass die Bundespartner ein lebeindiges Tier zerteilten und zwischen den beiden Hälften hindurchgingen mit de Schwur: So soll es dem ergehen, der sich nicht an die Abmachungen hält.

Als Bundespartner kamen sowohl gleichgestellte wie auch über- und untergeordnete Partner in Frage. In unserem Fall diente natürlich nicht der paritätische Bund, sondern der Vasallenbund als Vorlage. Die tonangebende Instanz war entweder ein dominanter Herrscher, ein stärkeres Land oder aber eine Gottheit. Diese diktierte die Bedingungen wie auch die Sanktionen, wenn es zum Bundesbruch kommt.

Die Reformatoren im 16. Jahrhundert betonten, dass der Bund Gottes mit den Menschen im Opfertod Jesu Christi endgültig und für alle Zeiten besiegelt wurde und im persönlichen Glauben des einzelnen als Glied der Gemeinde seine Erfüllung findet. Darum heisst er auch der Neue Bund. Der Heidelberger Katechismus (1563), ein Unterricht im reformierten Bekenntnis, beginnt mit folgender Frage, die auf diesem Hintergrund treffend beantwortet wird:

Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben? 

Dass ich mit Leib und Seele,
beides, im Leben und im Sterben,
nicht mein, sondern meines getreuen
Heilands Jesu Christi eigen bin,

der mit seinem teuren Blut
für alle meine Sünden vollkömmlich bezahlt…

Auf die Kurzformel gebracht: Ich glaube, dass Jesus für meine Sünden gestorben ist. Zwingli hat diesem Bekenntnis die Taufe als Bundeszeichen gegenübergestellt. Angefangen bei Zwingli, Bullinger und Calvin, über J. Coccejus bis hin zum Alttestamentler W. Eichrodt hat sich in der reformierten Traditionslinie eine differenzierte Bundes- bzw. Föderaltheologie herausgebildet, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte.

Nur schon die Tatsache, dass es diesbezüglich unter den protestantischen Denominationen schon lange keinen Konsens mehr gibt, heisst für mich, dass wir ad fontes, zu den Quellen gehen und nochmals von vorne beginnen müssen. Zudem weist der Begriff “Bund” m. E. in die falsche Richtung, weil er den Eindruck erweckt, als ob ein paar erlesene Menschen einen exklusiven Deal mit dem Höchsten abschliessen konnten. Dies suggeriert dann ein fatales Erwählungsbewusstsein, frei nach Bob Dylan’s Song “With God on our side”.

Die Hebräer und das erste Gesetz

Für das Verständnis der Bibel, insbesondere des Alten Testamentes, sind zwei Dinge wichtig.

1) Wissenschaftlichen Untersuchungen haben eindeutig gezeigt, dass der wichtigste Teil, die Torah (5 Bücher Mose), aus verschiedenen Quellen zusammengesetzt, redigiert und korrigiert worden ist. Federführend war dabei die levitische Priesterklasse – allen voran der biblisch bekannte Esra – die wesentliches zu ihren Gunsten manipuliert hat. Die wichtigste und folgenreichste Verfälschung liegt wohl in der Übernahme der Opferpraxis aus der heidnischen Umwelt.

Im Umkehrschluss heisst das, dass die Bibel, so wie sie uns heute vorliegt, unmöglich wortwörtlich vom Höchsten Schöpfer inspiriert sein kann. Wir brauchen vielmehr ein kritisches Instrumentarium, das uns den Weg durch den textlichen Dschungel zeigt.

2) Die mündliche Tradition der Hebräer, wie sie Shmuel Asher in der karaitischen Linie verkörpert, liefert hier die fehlenden Einsichten. Die meisten, die sich auf den Stammvater Jakob berufen, wissen um zwei verschiedene Gesetze oder besser Anweisungen – hebräisch: Torah. Das erste und ursprüngliche Gesetz hat der Ewige Gott dem Mose am Berg Horeb neu bestätigt. Das zweite, am Berg Sinai publizierte Gesetz, das wir gemeinhin als die 10 Gebote kennen, hat Mose erst in Kraft gesetzt, nachdem sein Volk das erste mit Füssen getreten hat. Soweit die Geschichte in Kürze.

Die Propheten haben immer wieder auf das erste Gesetz als Inhalt des Bundes hingewiesen, entweder den Abfall beklagend oder vorausschauend auf die Erneuerung des Bundes.

Hosea 8,1: «Sie haben meinen Bund gebrochen und sind abgefallen von meiner Weisung

Jeremia 31,33: «Dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schliessen werde nach jenen Tagen, Spruch des HERRN: Meine Weisung habe ich in ihre Mitte gegeben, und in ihr Herz werde ich sie ihnen schreiben. Und ich werde ihnen Gott sein, und sie, sie werden mir Volk sein.»

Alles in allem geht es um die Torah, die eine ewige Weisung, wie sie der Höchste von Beginn der Schöpfung an in Kraft gesetzt und immer wieder aufs Neue durch seine Boten erneuert hat. Die Schöpfungsordnung ruht auf dem Prinzip des freien Willens, das infolgedessen allen beseelten Wesen, Tieren wie Menschen, vegetarische Nahrung zuweist. Kein beseeltes Wesen darf  auf Kosten eines anderen beseelten Wesens leben.

Gen 1,29: «Und der Oberste Schöpfer sagte: «Seht, ich habe euch jede Pflanze gegeben, die Samen sät, die auf der ganzen Erde ist, und jeden Baum, der die Frucht eines Baumes ist, der Samen sät; dies wird euch Nahrung sein, 30 und für jedes Tier der Erde und für alle Vögel der Himmel und für jedes Kriechtier auf der Erde, das eine lebendige Seele hat: Jede grüne Pflanze dient als Nahrung. Und so war es auch.» (Übersetzung S. Asher)

Für Adam und Eva, das idealtypische Menschenpaar, galt diese Bestimmung ebenso, gegen die sie im sogenannten Sündenfall verstossen haben (Hosea 6,7). Allumfassend erneuert und bestätigt wurde das erste universale Gesetz durch Henoch und seinen Urenkel Noah. Zu ihm spricht der Ewige:

Gen 6,18: “Mit dir aber will ich meinen Bund aufrichten. So geh in die Arche, du und mit dir deine Söhne, deine Frau und die Frauen deiner Söhne.”

Immer wieder hat der Höchste Schöpfer seine Boten geschickt, wenn seine ewige Bestimmung ganz zu verschwinden drohte: nach Abraham war es Mose, danach viele Propheten, v.a. Jeremia und Jesaja, und schliesslich Jesus selbst, der das erste Gesetz mit unvergleichlicher Weisheit, Kraft und Klarheit wiederbelebt hat.

==> wer sich weiter vertiefen will, lese:

Schmuel Asher, The Land of MEAT & Honey, 2012

Merkmale und Titel des ersten Gesetzes

Die vorangegangenen Überlegungen werfen die dreifache Frage auf, die m. E. kaum gestellt wird: Welcher Gott verbindet sich nun unter welchen Bedingungen mit welchen Menschen? Wenn es nämlich hinsichtlich des Ursprungs und Geltungsbereichs zwei unterschiedliche Gesetze gibt, dann gibt es auch zwei unterschiedliche Gesetzgeber. Das zweite Gesetz vom Sinai weist nämlich viele historische Parallelen zum babylonischen Kodex Hammurabi und zu Gesetzessammlungen der Hyksos-Dynastie Ägyptens auf, weshalb es nicht ewigen Ursprungs sein kann. Gott ist nicht gleich Gott im heutigen Bibeltext. Mehr dazu im kommenden Blog, der vom Namen Gottes handelt.

Abraham, der im Haus Noahs lebte und dessen Vermächtnis kannte, bekam als erster in dieser Deutlichkeit die umfassende Zusage Gottes, dass er durch ihn die ursprüngliche Ordnung für die ganze Welt wiederherstellen will.

Gen 17,7: «Ich richte meinen Bund auf zwischen mir und dir und deinen Nachkommen, von Generation zu Generation, als einen ewigen Bund, dass ich dir und deinen Nachkommen Gott sei.»

Zusammenfassend ergeben sich folgende Merkmale dieses ewigen Bundes, der die zentrale Weisung des Obersten Schöpfers verkörpert.

  1. Beteiligte Parteien: Ewiger Gott und Menschen
  2. Gegenstand: freier Wille, d.h. Ehrfurcht vor allen beseelten Wesen
  3. Gültigkeitsdauer: ewig

Aus dem Zusammenhang habe ich nun versucht, den ewigen Bund, hebräisch: berit olam, neu zu titulieren, damit er in seinem Gehalt zugänglicher wird. Das Wortfeld für berit umfasst folgende Bedeutungen: Einwilligung und Einverständnis, (Selbst-) Verpflichtung und Zusage, Festsetzung, Bestimmung und Auftrag, Vereinbarung und Abmachung, Verständigung und Einvernehmen.

Im Anschluss an S. Asher und unter Berücksichtigung aller Facetten des ersten Gesetzes habe ich mich für zwei Titel entschieden: Immerwährender Auftrag und Ewige Bestimmung. Letzteren verwende ich wegen seiner griffigeren Form in den Überschriften.

Bestätigung durch Jesus im Doppelgebot der Liebe

Stützen wir uns auf die Kernbotschaft von Jesus, dann wird schnell deutlich, dass er der Torah des Ewigen, seinem universalen Gesetz, wieder umfassend Geltung verschaffen wollte.

Mt 5,17: «Meint nicht, ich sei gekommen, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Nicht um aufzulösen, bin ich gekommen, sondern um zu erfüllen

Diese Aussage macht nur dann richtig Sinn, wenn man von den zwei Gesetzen weiss. Jesus ging es darum, dass das erste Gesetz, das universale Prinzip der Schöpfung, wieder vollumfänglich in Kraft tritt. Was dies konkret bedeutet, hat er im Streitgespräch mit einem Gesetzeslehrer der Pharisäer folgendermassen auf den Punkt gebracht:

Mt 22,37-39: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand. 38 Dies ist das höchste und erste Gebot. 39 Das zweite aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. 40 An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.»

Gott lieben bedeutet aber auch, dass ich seinen Charakter als Schöpfer und Lebensspender wiederspiegle, indem ich den freien Lebenswillen von jedem beseelten Wesen gemäss dem ersten Schöpfungsbericht respektiere. So gesehen, widerspricht es elementar der Ewigen Bestimmung, wenn ich ohne Not ein Lebewesen töte, sei es als Opfer oder zum Verzehr. Davon mehr in einem neuen Blog.

2 thoughts on “Der Bund Gottes mit den Menschen

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