Auf welchem Weg können wir die Ewige Bestimmung des Schöpfers am klarsten erkennen? Indem wir zu den ältesten Textzeugen vordringen, die nahe am Ursprung und als solche am ehesten noch unverfälscht sind. Darum möchte ich hier exemplarisch zeigen, wie die Richtige Übersetzung von 1. Mose 9 (Genesis 9) im Detail zustande kommt. Folgendes ist eine Vertiefung des Blogs Die Ewige Bestimmung des Schöpfers.
Synopse der konträren Übersetzungen
Um den gravierenden Unterschied zwischen meiner Übersetzung im Anschluss an Shmuel Asher und der Zürcher Übersetzung deutlich zu machen, lege ich zunächst eine Synopse der konträren Übersetzungen von Gen 9,3 vor.
Alles, was sich regt und lebt, soll eure Nahrung sein. Wie das grüne Kraut übergebe ich euch alles.
Zürcher Bibel
Alles, was sich regt und lebt, ernähre sich vegetarisch. Wie auch Gras und Kräuter, pflanzliche Nahrungsmittel insgesamt, für euch alle bestimmt sind.
Becker / Asher
Kriterien für eine korrekte Übersetzung
- Text-und literarkritische Fragen klären
Wer mit dem masoretischen Text der hebräischen Bibel arbeitet, weiss, dass der Urtext aufgrund der unterschiedlichen Handschriftenüberlieferung immer Varianten aufweist. Zudem kommt der Umstand, dass die Entstehungsgeschichte der Bibel, insbesondere der Torah (5 Bücher Mose), ziemlich genau bekannt ist. Man muss also immer damit rechnen, dass die bekannten kanonischen Handschriften bereits das Ergebnis vielfältiger Veränderungen sind.
Die Kompilation der Torah hat sich in mindestens vier Redaktionsstufen über mehrere Jahrhunderte vollzogen. Die Neuere Urkundenhypothese J-E-D-P unterscheidet chronologisch folgende Quellen: den Jahwisten J (um 950 v. Chr.), den Elohisten E (um 800 v. Chr.), den Deuteronomisten D (7. Jh. V. Chr.) und die Priesterschrift (um 550 v. Chr.).
Für unseren Text von Bedeutung ist die Tatsache, dass Gen 9 wie auch grösstenteils die beiden vorhergehenden Kapitel aus der jüngsten priesterlichen Redaktion stammen und somit deren Interesse an Tempelkult Opferritualen abbilden. Es leuchtet ein, dass somit die älteren Textschichten, welche übrigens keinen Opferkult propagieren, massgeblich sind.
Mit anderen Worten, der hier vorliegende hebräische Urtext sowie das gesamte Narrativ für das Verständnis des Kontextes wurden mehrfach manipuliert und dienten der Priesterkaste als Kontrollinstrument.
- Möglichst wörtlich, technisch übersetzen
Eines der grossen Probleme der Übersetzung aus dem Hebräischen liegt darin, dass man Füllwörter und Umschreibungen braucht, um einen korrekten verständlichen Satz zu bilden. Dabei wird aber oft viel mehr hineingelesen, als überhaupt dasteht.
Darum ist es elementar wichtig, zur wörtlichen, technischen Übersetzung zurückzugehen, damit der Übersetzer wieder neu nach dem ursprünglichen Kontext, dem korrekten Sinnzusammenhang fragen muss.
- Den Kontext berücksichtigen
Übersetzen ist, so gesehen, immer auch interpretieren: mit anderen Worten dasselbe sagen. Das gelingt aber nur, wenn man sein eigenes Vorverständnis kennt, bewusst auf die Seite legt und den ursprünglichen Kontext sprechen lässt.
Wie dieser Kontext zu verstehen ist, hat Dr. Shmuel Asher hinlänglich gezeigt: Er hat ihn mit The Everlasting Agreement umschrieben. Die beste deutsche Wiedergabe ist aus meiner Sicht Die Ewige Bestimmung.
==> wer sich weiter vertiefen will, lese:
Schmuel Asher, The Land of MEAT & Honey, 2012
- Ausgewiesenen Experten zu Rate ziehen
Nur eine kleine Minderheit der zu dieser Frage publizierenden Theologen ist in der hebräischen Kultur und Sprache aufgewachsen. Und wer eine Professur für Altes Testament oder ein Rabbinat innehat, ist selbstredend dem jeweils dort herrschenden Interpretationszusammenhang verpflichtet.
Ich ziehe darum die Meisterschaft eines unabhängigen Gelehrten vor, der seit Generationen in der althebräischen Sprache zu Hause ist. Das garantiert am ehesten einen offenen und unverfälschten Zugang zum Wort des Ewigen Schöpfers.
- Hörende Grundhaltung im Blick auf den Ewigen Schöpfer
Schliesslich spielt vor allem anderen die Haltung des Übersetzers eine entscheidende Rolle. Welcher Stimme schenkt er Gehör? Welche Absicht verfolgt er mit seiner Übersetzung? Welche Weichen stellt er zu Beginn und welchen Spuren folgt er auf diesem Weg?
Ein kleiner Hinweis genügt, um die Tragweite dieses Kriteriums zu erahnen: Wenn ich ehrlich und entschlossen auf die Stimme des Ewigen Schöpfers, der Leben schafft, hören will, wie kann ich dann jene Stimmen, die Leben zerstören, als die seinen anerkennen?
Wörtliche Übersetzung von Genesis 9,3
Die hebräischen Kernelemente lauten folgendermassen:
kol alle
raémaes Reptilien; was sich regt
,asaer welches, von dem gilt
hjh (chaja) leben
hjh (haja) sein, existieren
,okla Essen, Nahrung
jaeraeq Vegetation, Grünzeug
‘esaeb Gras, Kräuter
natan bestimmt sein, aushändigen
et (bezeichnet Akkusativobjekt: für dich, euch, alle)
kol alle
Wenn wir nun diese Elemente aneinanderreihen und mit möglichst wenigen deutschen Wörtern wiedergeben wollen, was natürlich subjektiv ist, könnte der Vers nun folgendermassen lauten:
Alles, was sich regt und lebt, existiert durch vegetarische Nahrung. Gras, Kräuter sind für euch alle bestimmt.
Die hebräische Präposition et lässt dabei keine Zweifel am Adressaten dieses Speiseplans. Entweder gilt sie für dich, für mich oder für uns alle. In diesem Fall gilt sie für uns alle, wie der letzte Partikel kol beweist.
Inhaltlich ist Vers 3b eine wiederholende Bekräftigung von Vers 3a – eine im Hebräischen übliche rhetorische Figur. In diesem Fall geht es m. E. aber auch darum, jegliche Unklarheit bezüglich der Speisevorschrift auszuräumen. Dieser Nachsatz würde zudem auch keinerlei Sinn machen, wenn Vers 3 den Fleischverzehr meinte. Einfacher und logischer wäre in diesem Fall der knappe Hinweis für potenzielle Omnivoren, dass alles zum Verzehr freigegeben sei.
Wie die richtige Übersetzung von 1. Mose 9 nur unter Berücksichtigung des massgeblichen Kontextes gelingt, so auch die inhaltliche Gewichtung des hier genannten vegetarischen Speiseplans: Es geht nicht bloss um eine Diätvorschrift. Vielmehr äusserst sich darin das Einverständnis und der Respekt gegenüber dem ersten Gesetz des freien Willens: Mensch und Tier sind beseelt und haben einen unveräusserlichen Lebenswillen.
Bestätigung durch die ältesten Texte der Genesis
Nun, wenn das aus irgendeinem Grund nicht reichen sollte, müssen wir eben zu den frühesten Texten der Genesis rund um die Familie Adams zurückkehren, insbesondere zu Kain und Abel. Dort sehen wir, wie die Formulierungen das ursprüngliche Gesetz, die Ewige Bestimmung beweisen: nur «die Produkte, Erzeugnisse» «von» Tieren zu verwenden und nicht die Tiere selbst. Aber auch hier kann das Hebräische, je nachdem, wie man es übersetzt, den Anschein erwecken, etwas anderes zu sagen.
Synopse von Genesis 4,3f
3Nach geraumer Zeit aber brachte Kain dem HERRN von den Früchten des Ackers ein Opfer dar. 4 Und auch Abel brachte ein Opfer dar von den Erstlingen seiner Schafe und von ihrem Fett. Und der HERR sah auf Abel und sein Opfer,
Zürcher Bibel
3 Nach einer Weile brachte Kain von den Früchten des Bodens Jahwe ein Opfer dar. 4 Und auch Abel brachte vom Erzeugnis seines Viehs, das ihm via Geburtsrecht zustand, nur das Beste. Und Jahwe hatte Erbarmen mit Abel und mit seinem Opfer.
Becker / Asher
Wenn wir die Kernelemente von Gen 4,3f anschauen, dann tauchen folgende hebräischen Begriffe auf:
minné aus heraus, von
peri bester Ertrag, grösster Profit
Bei Kain in Vers 3 ist der Wortlaut sehr einfach. Bei Abel scheint er dann in Vers 4 leicht modifiziert worden zu sein. S. Asher hat im Kapitel 6 von The Land of Meat and Honey deutlich gemacht, warum Kains Opfergabe nicht akzeptiert wurde.
Bei Abel sehen wir dasselbe Wort (minne), das verwendet wird, um zu zeigen, wie er etwas aus oder von etwas nimmt. Dann folgt das Wort bekorah (Anspruch, Erbe oder Geburtsrecht; es kann aber auch Erstling oder Erstgeburt bedeuten). Wer es, wie die meisten, nur mit einer seiner Bedeutungen versteht, glaubt dann, Abel habe das beste Tier, das Erstgeborene, getötet und geopfert.
Berücksichtigen wir das bisher Gesagte, bewegt sich die bekannte Übersetzung auf der Linie der Priestertradition; denn wer seine Autorität legitimieren will, muss eine Autoritätsperson zeigen, welche genau jene Tat ausführt, über die man volle Autorität beanspruchen möchte: eine Opferung!
Dann sehen wir in Gen 4,4 wieder das Wort minne (aus, von) sowie se’on (Vieh) und haelaeb (bestes). Nun, übersetzen wir diesen Satz, indem wir passendere deutsche Wörter verwenden, die Geist und Kontext dieser Szene besser beschreiben; den ursprünglichen Kontext der obersten Richtschnur, des ersten Gesetzes, habe ich bereits dargelegt.
Und auch Abel brachte vom Erzeugnis seines Viehs, das ihm via Geburtsrecht zustand, nur das Beste. Und Jahwe wandte sich Abel und seinem sauberen, unblutigen Opfer (minha) zu.
Becker / Asher
Die Verwendung des Wortes minha ist ein weiterer Beweis dafür, dass dies KEIN Blutopfer war, wie die Orthodoxie glauben machen will. Nichts anderes als eine reine Opfergabe, die bereits Noah nach dem Verlassen der Arche darbrachte, nämlich eine reine Weihrauchgabe, wie es die Schriftrollen von Qumran beschreiben. Und keinesfalls ein Blutopfer, wie es in allen späteren Versionen dargestellt wird.
Noch einmal: Wenn die Redaktoren der Bibel durch die Texte einen Beweis für ihre Autorität erbringen wollten, dann mussten sie von Beginn weg Autoritätspersonen zeigen, die genau das taten, was sie kontrollieren wollten.
Schlussfolgerung
Der einzige Weg für eine richtige Übersetzung von 1. Mose 9 besteht also darin, zur frühesten Quelle und zum frühesten Text zurückzugehen. Das bestätigen uns übrigens auch die meisten Rabbiner. Wir lesen demzufolge diese Anweisung in ihrem ursprünglichen Kontext und wenden sie auf alle nachfolgenden Texte an, die im Laufe der Zeit aus verschiedenen Gründen ergänzt worden sein könnten.
Wenn also der Ewige Schöpfer seine Worte – seine Worte, nicht unsere! – niemals ändert oder modifiziert, und wenn er allen lebenden, beseelten Wesen hier am Anfang eindeutig einen bestimmten Speiseplan gegeben hat, dann müssen alle nachfolgenden Texte, unabhängig davon, woher und von wem sie stammen, den ursprünglicheren Texten, die ihnen vorausgegangen sind, untergeordnet bleiben.
Auf dieser Linie müssen wir auch alle nachfolgenden Kontexte so genau wie möglich neu arrangieren, und zwar mit so wenigen übersetzten Wörtern wie möglich, während wir gleichzeitig in jeder Sprache die exaktesten Wörter suchen müssen, um dem Leser die ursprüngliche Bedeutung und den Geist des Ganzen am besten zu vermitteln. Alles in allem kann die richtige Übersetzung von 1. Mose 9 mit Fug und Recht als Schlüssel zum Verständnis der biblischen Botschaft bezeichnet werden.